Neuromanische Herz Jesu Kirche in Gersten
Inhalt des Artikels:
Der Wunsch nach einer eigenen Kirche
Es tut sich was
Beschluß und Standortfrage
Bauvorbereitung
Bauverzögerung
Fertigstellung
Die Konsekration
Das Pastorat
Renovierung und Umgestaltung
Ehrenmal
Neue Krippe, Erhebung zur Pfarrkirche
1960/61 Kirchturm, Glocken, Renovierung
2013 letzte große Renovierung
Wunsch nach eigener Kirche vor 200 Jahren
Im Jahre 1827 hat die Bauerschaft Gersten in einer Supplik beim Generalvikariat um Erlaubnis zum Bau einer Kapelle und darin zur Winterszeit Gottesdienste abzuhalten angefragt.
Das Gesuch wurde abgeschlagen, insbesondere weil es an gehöriger Begründung fehlte, dass der Weg zur Pfarrkirche zu weit oder schlecht sei.”
(Geschichte der Grafschaft Lingen, 1850, Bernhard Anton Goldschmidt)
In der Kirchenchronik ist zu lesen: “Die Gerstener haben bei Wind und Wetter Wege von 3 – 7, die Entferntesten sogar bis 9 km zurückzulegen, um zur Pfarrkirche zu gelangen. Am frühen Sonntagmorgen bildet sich regelmäßig eine Wagenkette von Gersten bis Lengerich.
Es braucht in der Regel 4 Stunden, um die Sonntagspflicht zu erfüllen.”
Es tut sich was
Anlässlich einer jährlich stattfindenden Tierzahlerhebung in der Gastwirtschaft Keeve im Jahre 1919 haben sich die Hofbesitzer Kloster, Meyer und Robken zum wiederholten Mal darüber ausgesprochen, wie der Bau einer eigenen Kirche angeschoben werden kann.
Noch zum Ende des Jahres wurde zu diesem Thema eine Bürgerversammlung in der Gerstener Schule einberufen, auf der schließlich die Hofbesitzer Meyer, Lügermann und Robken beauftragt wurden, in der Gemeinde die Spendenbereitschaft abzufragen. – Die spontane Zusage seitens der Gemeindemitglieder von 80 000 Mark deutete man als unbedingten Willen, den Kirchenbau zu verwirklichen.
Beschluss und Standortfrage
In einer weiteren Versammlung im Herbst 1920 fiel der einstimmige Beschluss zum Kirchenbau.
Unklar war zunächst die Standortfrage: Drope oder Gersten. Die Wahl fiel schließlich auf den Standort Gersten, u. a. weil die Wwe. Theresia Lindemann den Platz auf dem ‘Tannenkämpken’, gegenüber an der Landstraße anbot und Richtering (heute Kathmann) die Fläche für den Friedhof zur Verfügung stellte.
Neben der verkehrsgünstigen Lage unmittelbar an der Landstraße von Bawinkel nach Lengerich sah man auch die Nähe zum Bahnhof als Vorteil für diesen Standort an.
Bauvorbereitung, 1921: Grundsteinlegung
Bischof Berning erteilte die grundsätzliche Erlaubnis zum Bau einer Kirche. Ein 14köpfiger Kirchenbauausschuss mit dem Vorsitzenden August Kloster wurde gewählt, der das Bauvorhaben auf den Weg bringen und begleiten sollte. Die Einsammlung der zugesagten Spenden war mit 100 000 Mark überaus erfolgreich.
Architekt Determann aus Lengerich erstellte den Bauentwurf. Die Baukosten wurden auf 200 000 Mark veranschlagt. Nach Überarbeitung der Entwurfsplanung durch Fachleute beim Bischöflichen Generalvikariat wurde schließlich der Ausführungsplan freigegeben.
Franz Determann und Stellmacher Bernd Geers suchten bei den Bauern Baumstämme aus, – die großzügig gespendet wurden. Aus dem Steinbruch Bocketal wurden ca. 600 m³ Sandstein mit LKW nach Gersten gebracht.
Am 24. Juli 1921 fand die feierliche Grundsteinlegung statt und man hatte das ehrgeizige Ziel, das Bauwerk bis zum Herbst unter Dach zu bringen. Die Mauerarbeiten wurden von Fa. Einspanier, Lengerich, und die Zimmerarbeiten von Fa. Slump, Wettrup, ausgeführt.
Aber der Winter kam mit ‘ungünstiger Witterung’ und die Hoffnungen, das Bauwerk zügig fertigstellen zu können, wurden gedämpft.
Bauverzögerung, 1921: Zwischenlösung
Die Gerstener wollten nicht länger warten und Gottesdienst auch in ihrer Gemeinde feiern. Auf Anfrage beim Bischöflichen Generalvikariat erhielten sie schließlich die Genehmigung in der Form, dass in der Schule Gersten sonntags eine hl. Messe gelesen und an besonderen Feiertagen ein feierliches Hochamt gesungen werden durfte. So kam es dann auch: Der erste Gottesdienst in Gersten fand mit Pater Müller SCJ aus Handrup am 3. Adventssonntag 1921 in der Schule statt. Für den Gesang sorgte fortan Lehrer Frekers. Bald wurde der Kirchenchor gegründet und Anfang 1922 begann man, für ein Harmonium zu sammeln.
Am Fest Hl. Dreikönige 1922 wohnten 362 Besucher dem Hochamt in der zweiklassigen Schule bei. Es sollte noch ein ganzes Jahr dauern, bis die Kirche für die Gottesdienstfeier hergestellt war.
1923: Fertigstellung und Benediktion
Mit der feierlichen Benediktion durch Dechant Robben aus Lengerich am 15. Februar 1923 ist das Bauwerk seiner Bestimmung übergeben worden. (Osnabrücker Volkszeitung v. 16. Februar). Eine schier unendliche Prozession folgte dem Dechanten zunächst zur Weihe der Außenwände um die Kirche und danach in die Kirche zur Weihe des Innenraums, insbesondere des Hochaltares.
Der Tabernakel wurde gut einen Monat später in den Hochaltar eingesetzt. In der Folgezeit wurden der Innenausbau (Bodenbelag, Holz-, Malerarbeiten etc.) vorangetrieben und weitere Anschaffungen (Messgewänder, Röckchen für Ministranten, weißer Chormantel etc.) getätigt.
Die Versorgung mit elektrischem Strom sollte 5 Jahre später kommen.
Konsekration
Am 5. Sept 1923 fand die Konsekration des Kirchenneubaus statt. 12 Wagen, 27 Reiter und 49 Radfahrer, allesamt prächtig geschmückt, holten den Hochw. H. Bischof Dr. Wilh. Berning um 06:30 Uhr vom Pfarramt in Lengerich ab. Am Empfangsbogen vor dem Ortseingang wurde er feierlich begrüßt und in einer Prozession in die Kirche begleitet, wo das feierliche Hochamt mit Pontifikal-Assistenz gesungen wurde. Es war eine “höchst feierliche Konsekration der Kirche”, der 9 Geistliche beiwohnten und die bis zum Mittag andauerte. Den Thron für den Bischof hatte Franz Determann, Mitglied im Kirchenbauausschuss, gefertigt, die Behänge dazu waren von Kaufmann Thye besorgt worden.
Zum anschließenden Mittagessen in der Gastwirtschaft Lindemann war auch der Vorstand des Kirchenbauausschusses geladen.
Pater Müller vom Kloster Handrup übernahm einstweilig die Seelsorge in der neuen Kirchengemeinde. Die Sonntagsfrühmesse war von etwas weniger, das Hochamt von etwas mehr als 400 Gläubigen besucht.
Im März 1924 wurden die Kreuzwegstationen, vom Kirchenmaler Hestermeyer aus Osnabrück auf Kupfer gemalt, in der westseitigen Nische aufgehängt.
1924: Erster Pastor im neuen Pastorat
Der im Sommer des Vorjahres an die Lengericher Fa. Einspanier vergebene Bau des Pastorats wurde im Herbst 1924 fertiggestellt und am 25. November von Pastor Niederschäfer bezogen, der damit den hochverdienten Pater Müller vom Kloster Handrup ablöste.
Zum 1. Januar 1925 erteilte Dechant Robben, Lengerich, der Kirchgemeinde die Erlaubnis zu taufen.
Gersten gehörte noch der Pfarrei Lengerich an. In der Wahlliste zum Kirchenvorstand waren somit auch Kandidaten aus Gersten vertreten.
Am 26. Febr. 1925 wurden im Saal Köbbe, Drope, erstmals die Kirchenplätze vermietet.
Die Verhandlungen über eine Ablösesumme für die Abtrennung von Lengerich führten zu dem Ergebnis, dass die neue Kirchengemeinde Gersten 5 000 Mark an die Kirchengemeinde Lengerich zahlte.
Zu Pfingsten 1925 wurde das neue Taufbecken aufgestellt, ein Geschenk des Müttervereins.
Ein Sakristei-Schrank für Paramente und Fahnen wurde im November angeschafft.
Stellmacher Bernhard Geers, Gersten, verlegte den Holzfußboden in der Kirche und stellte die Kinder-Kirchenbänke auf.
Zu Ostern 1926 wurde ein neuer Beichtstuhl aus Eiche aufgestellt. Die Bildschnitzereien hatte der Bildhauer Ludwig Nolde aus Osnabrück entworfen und ausgeführt.
Selbständige Kuratiengemeinde – 1930, das Jahr der Renovierung und Umgestaltung
Seit dem 1. April 1926 ist Gersten eine selbständige Kuratiengemeinde. Sie wählte einen eigenen Vorstand mit dem stellv. Vorsitzenden August Kloster.
1928 erhielten Kirche und Pastorat den Anschluss an das öffentliche Stromnetz.
Im September 1929 erwarb die Kirchengemeinde eine ‘nur kurze Zeit’ gebrauchte Orgel.
Die am 15. April 1930 aufgestellten Seitenaltäre stammen vom Osnabrücker Bildhauer Ludwig Nolde. Polychromiert (mit Farben versehen) wurden sie in der Künstlerwerkstatt Wiegard, ebenfalls Osnabrück.
Der Marienaltar zeigt das Motiv ‘Jungfrau und Mutter’, der rechte Seitenaltar zeigt den Hl. Josef mit dem Jesusknaben in der Werkstatt. – Motiv: ‘Bete und arbeite’
Beim Kirchenneubau während der Inflationszeit ist teilweise minderwertiges Baumaterial verwendet worden. Schäden traten jetzt offen zutage, so dass 1930 eine Dachstuhlverstärkung durch Stellmacher Bernhard Geers und eine Dachneueindeckung durch eine Meppener Fa. durchgeführt werden mussten.
Bis auf jeweils 2 Fenster an den seitlichen Enden wurden die Fenster im Chorraum geschlossen. Der gotische Hochaltar wurde zu einem schlichten Opfertisch umgestaltet und mit einer Leuchterbank aus Sandstein umgeben. Die beiden Bögen der Seitennischen wurden zugemauert und mit Fenstern versehen, so dass ‘schlichte Nischen’ entstanden. Außerdem erfolgte die Ausmalung des Kirchenraumes nach den Entwürfen des Kirchenmalers Theo Maria Landmann, Osnabrück, insbesondere, was die beiden Motive der Freskomalereien ‘Missionsgedanke’ und ‘Kriegerehrung’ sowie die Holzbalkendecke betraf. In der Osnabrücker Volkszeitung, 3. Blatt, v. 26. Nov. 1930 steht dazu: “Der gesamt Raum einschließlich der Holzdecke ist farbig außerordentlich fein in goldbraunen Farbwerten abgestimmt …”
Als Krönung der Umgestaltung erhielt der Chorraum einen vom Osnabrücker Künstler Landmann entworfenen Wandteppich mit der Darstellung ‘Das Leben Jesu’ aus echter chinesischer Rohseide, der in Applikationsarbeit in der Künstlerwerkstatt Eckewart, Osnabrück, gefertigt wurde. (Internet: www.theo-landmann.de/werkverzeichnis/werkphase-1925-1940.php)
Im Okt. 1943 wurden die Kreuzwegstationen aus der westlichen Nische herausgenommen, mit schlichten Eichenholzrahmen versehen und an den Seiten des Kirchenraums angebracht. In der frei gewordenen Nische hat man aus Eiche eine Gedenkstätte für die Gefallenen der Weltkriege eingerichtet.
Das Ehrenmal war so angelegt, dass die Namen von später Gefallenen und vermissten Soldaten hinzugefügt werden konnten.
1947 hat man die Freskogemälde beseitigt. Sie waren lt. Kirchenchronik “seit Anschaffung gegen den Sinn und Geschmack der Gemeinde” gewesen.
1948: Neue Krippe – Erhebung zur Pfarrkirche
Angeregt durch das “Jerusalem Panorama Kreuzigung Christi” in Altötting setzte sich Pastor Schnäwel mit Künstlern aus Lingen in Verbindung, um eine Krippe dieser Art zu schaffen. Der Kunstmaler Hans Gerd Gend schuf 1948 diese wandhohen Bilder. Bildhauer Gutschenreiter schuf neue Krippenfiguren aus Holz.
Der Bischof v. Osnabrück hat mit Urkunde v. 9. Aug. 1960 die bisherige Kuratiengemeinde zur Pfarrgemeinde und die Kirche zur Pfarrkirche erhoben. Pastor Wilh. Krone wurde zum Pfarrer ernannt.
1960/61: Neuer Kirchturm, neue Glocken – Kirchenrenovierungen
Ende September 1960 begannen die Arbeiten zum Bau eines neuen Kirchturms, der den Dachreiter ablösen und Platz für vier größere Glocken schaffen sollte. Maurer- u. Beton-Arbeiten hat die Fa. Einspanier, Lengerich, durchgeführt. Die Zimmerarbeiten erledigte die Fa. Georg Menke in Gersten.
Am 4. Juni, 1961 wurden vier neue Glocken an der Gemeindegrenze feierlich in Empfang genommen und in einer Prozession zur Kirche begleitet, wo sie geweiht wurden. Am 9. Juni, dem Tag des Herz-Jesu Patronatsfestes, erklangen sie zum ersten Mal. – 1967 ist die Turmuhr installiert worden.
1976 erhielt die Kirche eine neue Orgel mit zwei Manualen, neun Registern, Pedalen etc. von der Fa. Kreienbrink, Osnabrück.
1980 fand eine grundlegende Kirchenrenovierung statt. Neben Reparaturarbeiten an der Dachkonstruktion, der Dachdeckung und im Wandbereich sind die Fenster in Doppelglasrahmen aus Metall eingefasst worden. Außerdem sind neu aus Travertin der Ambo und der Altar im Chorraum aufgestellt worden. Die Schneiderei Moß hat Ausbesserungsarbeiten an dem Wandteppich im Chorraum vorgenommen.
Letzte große Renovierung 2013
Das Kircheninnere erstrahlt im neuen Licht und hat eine Atmosphäre bekommen, die zum Verweilen einlädt. – Allen an der Renovierung und der Umgestaltung Beteiligten sei an dieser Stelle Dank gesagt!
Bernd Swarte